2/12 Untergrund - Leseprobe
Robin Klengel
Leere Hallen
Leere Hallen
Nicht-Ort, Dead Mall, Möglichkeitsraum – Beobachtungen in der Grazer Annenpassage
Prolog
Langsam und stetig befördert mich die Rolltreppe abwärts in die Passage. Es ist dieser spezielle, undefinierbare Geruch von Verbrauchtheit, der mir entgegenströmt und der, vermischt mit dem gelblichen, elektrischen Licht der Atmosphäre des Ortes einen schummrigen Beigeschmack gibt. Unten erwartet mich ein langer, niedrig wirkender Gang, vielleicht 100 Meter lang, beiderseitig mit Geschäften umsäumt. Es ist wenig los. Vereinzelte Personen bewegen sich über den graubraunen Marmorboden. Die leerstehenden Lokale sind in der letzten Zeit noch zahlreicher geworden. Rechts den Ein-Euro-Shop gibt es noch, in einem Modegeschäft auf der anderen Seite hängen riesige, selbstgezeichnete Abverkaufsschilder in der Auslage. Die Brot-vom-Vortag-Bäckerei neben dem Videospiel-Gebrauchtwarenhändler hat erst kürzlich zugemacht.
Bei der Abzweigung folge ich dem Korridor nach rechts bis zu einem dreistöckigen Atrium. Hier bin ich ganz alleine, nur die Rolltreppen laufen im Dauerbetrieb. Sie mahlen vor sich hin, nur für sich selbst. Ihr gleichmäßiges Rauschen untermalt die Leere. Aus Lautsprechern ertönt 90er-Jahre-Popmusik, die im Raum widerhallt. Hinter den Rolltreppen im Erdgeschoss verbirgt sich ein Piercing-Studio, etwas weiter links der Hintereingang eines Wettcafés. KundInnen sind keine in Sicht. Seit Kurzem hat auch der kleine Friseur im Untergeschoss zugemacht. In den vielen Spiegeln reflektiert sich die Leere.
Dies ist kein Einkaufszentrum mehr, dies ist etwas Anderes.