2/19 Abwesenheit - Leseprobe
Farina Asche und Johanna Strunge
Mehr als nur leere Bilderrahmen? Eine Annäherung an Abwesenheiten und ihre Visualisierungspraktiken in Ausstellungen
Wir besuchen im Juni dieses Jahres die Konferenz „What’s missing?“ des Museums Europäischer Kulturen (MEK) in Berlin. Die zwei Tage sind dicht gefüllt vor allem mit Berichten aus der Museums- und Ausstellungspraxis. Im Zentrum stehen diverse Versuche, feministische, queere und postkoloniale Perspektiven in Museen und Ausstellungsräumen mit einzubinden. Aus der Abschlussdiskussion der Konferenz bleiben uns die Fragen einer Teilnehmerin besonders im Kopf: Was sei denn, wenn all die Versuche, die abwesenden Perspektiven wieder zu Tage zu bringen, scheiterten (oder die finanziellen Ressourcen für die Versuche fehlten)? Wie ließen sich fortbestehende Leerstellen in Ausstellungen visualisieren?
Die Fragen lassen uns an einen Ausstellungsbesuch im Historischen Museum Frankfurt drei Monate zuvor zurückdenken, in dem das Thema des Abwesenden sogar zum Fokus einer ganzen Sonderausstellung mit dem Titel „Vergessen. Warum wir nicht alles erinnern“ gemacht wurde. Im letzten Drittel des Ausstellungsrundgangs stoßen wir auf eine vom Künstler Mark Dion geschaffene Dunkelkammer und seine davor angebrachte, gerahmte Liste, die er mit „A Taxonomy of Lost and Forgotten Museum Objects“ betitelt. Die Taxonomie zählt in vierzehn Punkten unter anderem fehlerhaft inventarisierte Objekte, niemals ausgestellte Objekte und auch durch Mikroorganismen in Museumsräumen zerstörte Objekte auf. In der kleinen Dunkelkammer sind einige dieser Objekte ausgestellt. Mit schummrigen Taschenlampen lassen sich die Objekte aber nur erahnen und bleiben dabei weiterhin das vom Museum produzierte Unsichtbare/Abwesende.
Beide Beobachtungen – die Einbindung marginalisierter Perspektiven (Konferenz „What's missing“) und die Reflexion der eigenen Rolle des Museums im Prozess des Abwesendmachens (Ausstellung „Vergessen“) stehen der vermeintlichen ‚Natur‘ des Museums zunächst einmal diametral gegenüber. Viele Museen entstanden im turbulenten 19. Jahrhundert und ihre Aufgabe war hier klar definiert – sie sollten Dinge vor dem Vergessen bewahren und eindeutige Erzählungen liefern. Inzwischen blicken viele Museen auf eine über hundert Jahre währende Tätigkeit des Sammelns und Bewahrens zurück und doch ist ihnen seit jeher auch das Vergessen und die Produktion von Nicht-Wissen strukturell eingeschrieben. Unter Nicht-Wissen verstehen wir hierbei ein mehr oder auch weniger bewusstes Defizit an Kenntnis und Information zu bestimmten Themen, das zu einer Auslassung dieser Themen auf verschiedenen Ebenen der Institution Museum führen kann – begonnen bei der Sammlungspraxis bis hin zur kuratorischen Arbeit.
Im Zentrum unseres Artikels stehen Abwesenheiten in Ausstellungen. Anhand von kurzen Vignetten versuchen wir verschiedene Ansätze der Visualisierung zu greifen und einer Wende zum Ausstellen von Nicht-Wissen nachzugehen.