2/06 Gerüchte - Leseprobe
Jutta Dornheim
Die Wasser kauenden Enten der Herta M.
Kulturpoetische Betrachtungen zur Verleiblichung von Gerüchten
Jutta Dornheim
Die Wasser kauenden Enten der Herta M.
Kulturpoetische Betrachtungen zur Verleiblichung von Gerüchten
Die Wasser kauenden Enten der Herta M.
Kulturpoetische Betrachtungen zur Verleiblichung von Gerüchten
Jutta Dornheim
Die Raser vom Balkan.
Bemerkungen zur Inszenierung eines Medienspektakels
Christine Bischoff
Besieged by Rumors
Zur Dynamik von Gerüchten in politischen und gesellschaftlichen Konflikten
Sönke Friedreich
Gerüchtsgenealogie Geschichte, Gedächtnis und Gerüchte in Kamerun
Pamela Feldman-Savelsberg
„Dem Vernehmen nach“
Zu Wert und Gegenwert von Gerüchten im ländlichen Raum der Vormoderne
Ira Spieker
Wie alt sind modern legends?
Alfred Messerli
9/11- fünf Jahre danach
Über Voraussetzungen und Folgen des Erzählens von Gerüchten und gegenwärtigen Sagen
Ingo Schneider
Drohende Dornfinger, wilde Waller
Gerüchte und Sagenhaftes aus dem Tierreich
Bernd Rieken
Überlegungen zum Erfolg von Gerüchten und Verschwörungstheorien
Oder: Warum wir glauben, was wir glauben wollen
Stephan Gill
Das „spezifisch Negroide“ und seine weißen Freunde
Anmerkungen zur Soul-Rezeption in der Bundesrepublik
Moritz Ege
Kunstinsert
Gudrun Rodlauer
Ein Gerücht – das ist das, was uns neugierig macht, auch wenn wir wissen, dass es nicht die Wahrheit verkündet. Aber ist das nicht auch ein Gerücht? Das jedenfalls steht fest: „wo Gerüchte wabern, ist auch der Leib gefordert“. Die Bremer Kulturwissenschaftlerin Jutta Dornheim macht bewusst, wie Gerüchte unter die Haut gehen und dabei selbst die Kraft einer Leib und Leben bedrohenden Realität gewinnen können. Sie folgt der rumänischen Schriftstellerin und Dissidentin Herta Müller, die von der Wirkung von Gerüchten auf den eigenen Körper erzählt, davon wie der lange Arm politischer Gerüchte einer erlittenen Diktatur das Leben selbst im demokratischen Westen noch zu greifen vermag.
Aber Gerüchte sind nicht an Diktaturen gebunden. Nirgends blühen Gerüchte so üppig, wie in Printmedien. Und dies obwohl – oder besser gerade weil, Gerüchte keinen identifizierbaren Urheber haben, der den Wahrheitsgehalt nach gebotener Recherche bestätigen müsste, wie es etwa ein seriöser Journalismus verlangt. Die Basler Kulturwissenschaftlerin Christine Bischoff leuchtet hinter Medienberichte zu illegalen Autorennen. Berichte, die soziale Konflikte zu unwiderlegbaren „Tatsachen“ ethnischer Charaktereigenschaften stilisieren. Ob die Sache wahr oder falsch ist, scheint dabei keine Frage wert zu sein, wichtig allein ist, dass die Geschichten für wahr gehalten werden.
Der „schlechte Ruf“, kann auch bewusst hergestellt werden, lanciert als „vox populi“, womit Meinungen so gelenkt werden, dass sie zum politischen Potenzial anwachsen können. Der Volkskundler Sönke Friedreich (Dres-den) erinnert, wie die Yippies diese bewusste Strategie einsetzten, um damit das Establishment gehörig herauszufordern, was schließlich in gewalttätigen Polizeiaktionen mündete. Gerade unsichere Zeiten, historische Ausnahmeereignisse und Zustände sind ein garantierter Nährboden für Gerüchte, wobei sich die Wirkung meist einer Legierung aus traditionellen Bildern und Vorstellungen verdankt. Die Geschichten werden glaubhaft, weil ihnen das kollektive Gedächtnis einen faktischen Status verleiht. Die amerikanische Kulturanthropologin Pamela Feldman-Savelsberg führt uns nach Kamerun, wo sie eine Genealogie von Gerüchten auffindet, die in den aktuellen ethnischen und globalen Spannungen eine eminente Rolle spielen. Die als Gerücht oder als Verschwörungstheorie zum Ausdruck gebrachten Ängste verarbeiten gewissermaßen die Krisen und soziale Spannungen und treiben sie auch weiter.