2/05 Nachkommen - Leseprobe
Gerlinde Malli, Diana Reiners, Gilles Reckinger
Marginal, widerständig, verwaltet
Einblicke in die Lebensrealitäten der Grazer Punkszene
Der Hauptplatz der Stadt Graz, zwischen Rathaus und Erzherzog-Johann-Denkmal, ist der Stammplatz einer jugendlichen Randgruppe, deren Kleidungsstil und Auftreten sie als "Punks" erkennbar zu machen scheint. Grellgefärbte Dreadlocks, Irokesenschnitt, weite Armeehosen und Springerstiefel, zerfetzte Shirts, Kapuzenpullover, Ketten und Nietengürtel - auf den ersten Blick die Attribute eines subkulturellen Stils dieser Szene von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Das mediale Bild, das von den "Punks", die sich den symbolischen Raum aneignen, hier herumsitzen, sich unterhalten und Bier trinken, gezeichnet wird, ist das einer "problematischen", Ordnung und Sicherheit gefährdenden Gruppe Widerständiger. Doch sind sie die Nachfahren einer "rebellischen" Punkkultur der 1970er und 1980er Jahre, als die sie erscheinen? In einer Studie im Auftrag des Sozialamtes der Stadt Graz haben wir Einblicke in die Lebenswelten dieser Grazer Randgruppe gewonnen, sind wir den Spuren der Diskurse, Zuschreibungen und politischen Interessen nachgegangen, um die strukturellen Bedingungen, die Perspektiven und Lebensrealitäten zu verstehen. "Punk" ist nicht nur die Selbstbezeichnung einer stilbildenden Jugendkultur, sondern auch eine Zuschreibung von außen, die mit unterschiedlichen Konnotationen behaftet ist. Dass viele, die der Gruppe angehören, sich selbst gar nicht als "Punk" bezeichnen oder diese Zuschreibung als Stigmatisierung empfinden, bleibt weitgehend unbeachtet.