2/09 Nacht - Leseprobe
Justin Winkler
Nachtung
„Die Träumereien des schwachen Lichts führen uns in die innersten Verschläge des Vertrauten zurück. Es scheint, dass es in uns dunkle Winkel gibt, die nur gerade ein flackerndes Licht ertragen. [...] Ein Träumer der Lampe weiß instinktiv, dass die Bilder des schwachen Lichtes Nachtlichter sind. Ihr Schein wird unsichtbar, wenn das Denken an der Arbeit und das Bewusstsein ganz hell sind. Aber sobald das Denken sich ausruht, wachen die Bilder.“
Gaston Bachelard1
Nachthelle
Die Emblematik der Nacht ist Dunkel und Stille, zugleich Ruhe und Grauen, Frieden und Tod: Schulen und Einkaufsstätten sind geschlossen, das heißt abgedunkelt, die Gaststätten agieren unter der Drohung, Nachtruhestörer zu versammeln. Wie können wir über die Nacht als Wahrnehmungstatbestand, als zugleich natürlichen und gesellschaftlichen Rhythmus schreiben, wo wir sie doch verschlafen? Während der zwei „tiefsten“ Nachtstunden schlafen 95 Prozent aller Amerikaner, wird uns gesagt.[ii] Müssten wir nicht zu empirischen Nachtschwärmern werden? Woher kommen dann unser „Wissen“ und der sprachliche Ausdruck über die Nacht?