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2/09 Nacht - Leseprobe

Cover der Nachtausgabe

Justin Winkler
Nachtung

Die Träumereien des schwachen Lichts führen uns in die innersten Verschläge des Vertrauten zurück. Es scheint, dass es in uns dunkle Winkel gibt, die nur gerade ein flackerndes Licht ertragen. [...] Ein Träumer der Lampe weiß instinktiv, dass die Bilder des schwachen Lichtes Nachtlichter sind. Ihr Schein wird unsichtbar, wenn das Denken an der Arbeit und das Bewusstsein ganz hell sind. Aber sobald das Denken sich ausruht, wachen die Bilder.“

Gaston Bachelard1

Nachthelle

 Die Emblematik der Nacht ist Dunkel und Stille, zugleich Ruhe und Grauen, Frieden und Tod: Schulen und Einkaufsstätten sind geschlossen, das heißt abgedunkelt, die Gaststätten agieren unter der Drohung, Nachtruhestörer zu versammeln. Wie können wir über die Nacht als Wahrnehmungstatbestand, als zugleich natürlichen und gesellschaftlichen Rhythmus schreiben, wo wir sie doch verschlafen? Während der zwei „tiefsten“ Nachtstunden schlafen 95 Prozent aller Amerikaner, wird uns gesagt.[ii] Müssten wir nicht zu empirischen Nachtschwärmern werden? Woher kommen dann unser „Wissen“ und der sprachliche Ausdruck über die Nacht?

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2/09 Nacht - Inhaltsverzeichnis

Nachtung
Justin Winkler
  
Wenn es dunkel wird
Bastian Bretthauer
 
„Do you wanna touch the night tonight?“
Erkundungen zum nächtlichen Vergnügen der Turbojugend Basel
Michel Massmünster
 
Bourdieu bei Nacht – eine Skizze
Anja Schwanhäußer
 
„Wien leuchtet“.
Urbane Lichtregie und die nächtliche Ordnung des Raums
Jens Wietschorke
 
Auf der grünen Wiese der Nacht.
Zur Planung und Praxis von Anstand und Unanständigkeit
Gabriela Muri Koller
 
«...keine Nacht wie diese»
Eine kleine Typologie von Bildern beleuchteter Nächte
Sibylle Künzler und Tobias Scheidegger
 
Rezension zu: Kathrin Röggla: wir schlafen nicht
Roswitha Jauk
 
Nicht nur zum Schlafen...  Skizzen zur Nacht
Hans-Werner Prahl
 
Städter im Zwielicht nächtlicher Straßen
Paula Helm
 
Die Nacht, die Atmosphären, der Text.
Kulturpoetische Überlegungen zu einer Phänomenologie der Nacht
Jutta Dornheim


Kunstinsert
Dörthe Bäumer

2/09 Nacht - Editorial

Signum der Nacht ist ihre Zeitverlorenheit. Darauf gleich einmal hinzuweisen, soll unsere Entschuldigung für die Verspätung der Ausgabe zu „Nacht“ nicht ersetzen.
„Wie können wir über die Nacht als Wahrnehmungstatbestand, als zugleich natürlichen und gesellschaftlichen Rhythmus schreiben, wo wir sie doch verschlafen?“, fragt Justin Winkler zu Beginn. Mit seinen Gedanken zu Nachtung machen wir  uns auf den Weg zu gesellschaftlichen und kulturellen Räumen und Kräften der Nacht. Und in der Tat, erst in den beleuchteten Nächten konnten die Kulturwissenschaften die Besonderheit der nächtlichen Konturen der Ruhelosen, der Dinge und der Räume entdecken, ihre Geräusche und Gerüche, das Leben der Dunkelheit und seine kulturellen Kräfte ans Licht holen. Die beste Zeit, über das Besondere der Nacht, der Antipode des Tages, nachzudenken, so Bastian Bretterhauer in Wenn es dunkel wird, ist die Dämmerung, jene Stunde der Gleichzeitigkeit von Rationalität und Nüchternheit des Tages und der Imagination der „irrationalen“ Dunkelheit. Er folgt den Nachtschwärmern, den zeitgeistigen Innovativen der neuen Nacht, den kulturellen und sozialen Bewegungen des städtischen Nachtlebens, der kreativen Atmosphäre nächtlicher Milieus.

Michel Massmünster lässt sich von der nächtlichen Stadt, vom Vergnügungsleben und der Aufforderung Do you wanna touch the night tonight der Turbojugend Basels locken, um daran teilzunehmen, um zu fühlen und zu erleben und um darzulegen, wie sich das Geschehen in der Szene den am Sehsinn orientierten Begrifflichkeiten entzieht und wie sich mit den kollektiven Inszenierungen Räume gestalten, solche zum Verweilen in Atmosphären und Imaginationen, solche des Weiterziehens, des Provozierens und Parodierens. Zu den Kosmonauten des Berliner Unterground und in das Nachtleben der afrikanischen Flüchtlingsszene von Wien führt Anja Schwanhäusers Erkundigung nächtlicher Atmosphären. Mit Bourdieu bei Nacht leuchtet sie in die sinnlichen Undurchsichtigkeit voller Melancholie und Sehnsüchte, wo sich Menschen dem taghellen Wettbewerb zu entziehen glauben, und dennoch den ewigen Kampf um Status und Distinktion austragen: schriller, exotischer, nächtlicher eben nur.

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