1/13 Zufall - Leseprobe
Zufall, Chance, Risiko
Zufall lässt Deutungsmöglichkeiten offen, dort wo kausale Erklärungen nicht mehr greifen. Gleichsam hat er damit den Beigeschmack des Erlebnishaften und Abenteuerlichen und erscheint als Sehnsuchtsort der Spontaneität und der Befreiung aus einem berechnenden und kontrollierenden Korsett. Die Beiträge der vorliegenden Ausgabe des Kuckucks zeigen jedoch: Zufall muss nicht notwendigerweise das Gegenteil von Berechnung und Kontrolle sein, sondern geht auch oft eine Komplizenschaft mit der Kalkulation ein – und wird etwa schon längst ökonomisch nutzbar gemacht. Aus kulturanthropologischer Sicht scheint es deshalb wichtig, Zufall zu thematisieren und als oft nur scheinbar „zufällig“ zu entlarven, etwa wenn es um Determinanten sozialer Ungleichheiten geht. Die aktuelle Ausgabe versammelt Beiträge aus verschiedenen Disziplinen zum Thema und fragt danach, welche Rolle Zufall im jeweiligen fachlichen Zusammenhang spielt. Von chaosthereotischen Gedanken über eine musikwissenschaftliche Betrachtung bis zu theologischen Überlegungen reicht diesmal die Bandbreite an Texten. Die versammelten kulturanthropologischen Beiträge versuchen den Zufall in alltäglichen Kontexten zu greifen.
Rainhard Z. Bengez schreibt über ein Konzept, das das aktuelle Zeitalter in besonderer Weise von vorangegangenen abgrenzt: Wahrscheinlichkeit und Zufall, ohne die heutige Geld- und Kapitalmärkte und Versicherung nicht denkbar wären. Er rafft die Geschichte von Wahrscheinlichkeit und Risiko von der Antike bis zur heutigen – jenseits von Schicksalsängsten von Gestaltungswillen geprägten – Zeit zusammen.