1/17 Arabesken - Leseprobe
Alexa Färber
Zurück in die Zukunft: Das Institut du Monde Arabe und die Erfindung des Arabischen im Dialog
I.
„Arabisch ist nicht synonym mit muslimisch. In der Kunstsammlung gibt es Christen, Juden, Sunniten, Schiiten und Atheisten. Es gibt Iraker, Syrer, Armenier, Kurden, Türken und Künstler, die in Frankreich geboren sind, wie Kader Attia oder in Brasilien wie Emmanuel Nassar. Es ist also auch keine ethnische Definition.“ (Le Monde, 14. März 2017)[1]
Wenn weder die religiöse noch die ethnische Zugehörigkeit von KünstlerInnen und auch nicht ihr Geburtsort oder die aktuelle Adresse ein Auswahlkriterium dafür darstellen, um, wie der Gründer der in den Arabischen Emiraten beheimateten Barjee Art Foundation Sultan Sooud al Qassemi sagt, in seine Sammlung arabischer Kunst aufgenommen zu werden, was macht diese Kunst dann zu arabischer Kunst? Was bedeutet arabisch? „Certainement pas une définition religieuse,“ – „Ganz sicher keine religiöse Definition,“ betont al Qassemi (ebd. S. 46.).
In der Logik eines Sammlers moderner Kunst, der die Konsistenz seiner Sammlung und der aktuellen Ausstellung eines Teils dieser Sammeltätigkeit plausibel machen muss, erteilt al Qassemi eine Absage an zwei offensichtlich naheliegende Identifikationshorizonte des Arabischen: das Religiöse und das Ethnische. Diese ex-negativo-Argumentation kommt nicht von ungefähr. Sie greift vielmehr zwei Elemente auf, die in der Frage nach Identitätsmarkern nicht nur für das Arabische gängig sind: religiöse oder ethnische Zugehörigkeit bzw. Herkunft. Wenn wir heute den Eindruck haben, dass das Religiöse und das Ethnische wieder nahezu gleichrangig verhandelt werden, wenn es um das Arabische geht, dann ist dies nur eine Momentaufnahme. Seitdem im Zuge der Nationenbildungen im 19. Jahrhundert weder religiöse noch ethnische Identität allein den entstehenden staatlichen Gebilden eine vereinende Dimension mit alltagskultureller und historischer Tiefe verliehen haben, ist das Verhältnis dieser Identitätsangebote zueinander und zu anderen Markern wie Klasse, Geschlecht oder Nation stets Gegenstand der gesellschaftlichen Auseinandersetzung.