Mit dieser Ausgabe begeht der Kuckuck sein 25-jähriges Jubiläum. Beim Erscheinen des ersten Heftes 1/1986 hatte wohl kaum jemand damit gerechnet, dass wir eines Tages ein solches Jubiläum feiern werden. Dazu beigetragen hat neben den Aspekten einer permanenten Selbstausbeutung sicherlich auch die Tatsache, dass der Kuckuck eine mittlerweile über den Entstehungsort Graz hinaus etablierte kulturwissenschaftliche Zeitschrift geworden ist. „Blicke“ lautet das Thema dieses Jubiläumsheftes und die Assoziation liegt nahe, dass dort, wo es um Blicke geht, auch Bilder eine zentrale Rolle spielen, weshalb diese Ausgabe des Kuckucks neben der üblichen künstlerischen Gestaltung eine Fülle weiterer Bilder aufweist. Vielen der Bilder ist ferner zu eigen, dass sie nur in Farbe ihre volle Wirkung entfalten. Daher haben wir uns allen finanziellen Zwängen zum Trotz und einer Jubiläumsausgabe würdig entschieden, diesen Kuckuck in Farbe zu drucken und hoffen, damit auf die Zustimmung der Leserinnen und Leser zu stoßen.
Das Heft beginnt mit einem Beitrag, bei dem das Bild fehlt bzw. nur (mehr) als Imagination vorhanden ist. Ausgehend von einem „verpassten“ Foto entfaltet Manuela Barth den „fotografischen Blick“ als eine Assemblage komplexer Bildpraktiken, die sie mit den Begriffen „Fotografie als Übersetzung“ und „Fotografie als Interaktion“ analysiert, ehe sie eine Neubetrachtung von Visualisierung anstrebt.
Im Anschluss daran setzt sich Wolfgang Hesse mit fotografischen „Dokumenten“ eines SA-Fememords auseinander. In diesem Beispiel einer historischen visuellen Anthropologie setzt sich der Autor neben einer gründlichen historischen Kontextualisierung mit einer Gegenüberstellung von Beweisdokument und Visualisierung auseinander, wobei die Bilder des vorgestellten Fotografen von einer – scheinbar noch gegebenen – Tatortfotografie zu einer medial vermittelten Wahrnehmung mutieren.
„Drei Visiere in Weimar“ nennt Wolfgang Kemp seinen Beitrag, in dem er einen weiten zeitlichen und intellektuellen Bogen zwischen Thomas Mann und Johann Wolfgang von Goethe, von diversen Bildpraktiken zu historischen Konstellationen und von Autos bis zu Häusern spannt.
Karin Wimmer wiederum widmet ihren Aufsatz Gedichten und Bildpraktiken des von Nietzsche und Schopenhauer beeinflussten Malers Giorgio de Chirico, die zwischen Traum und Wirklichkeit changieren.
Judith Laister nimmt den blauen Zaun in den Blick, der das Baugelände der Olympischen Sommerspiele 2012 in London umgibt. Insbesondere interessiert sie sich dabei aber für künstlerische Aktivitäten, Aneignungsweisen und Protestformen, die sich an und um diesen Zaun entwickeln.
Eine spezifische Form des Blicks hat Magdalena Weyher im Sinn, wenn sie sich den Beobachtungen in Nachbarschaftsbeziehungen widmet und dabei die Distinktionsbemühungen sowie Paradoxien menschlichen Zusammenlebens analysiert ausgehend von eigenen Erfahrungen und daraus resultierenden Forschungen.
Wie Brasilianerinnen und Brasilianer gen Europa blicken zeigt Lydia Maria Arantes ausgehend von ihrer Untersuchung zu brasilianischen Migrantinnen und Migranten in Europa. Sie bettet die Aussagen ihrer Gewährspersonen dabei in theoretische Debatten von Exotisierung, Postkolonialismus und hegemonialen Diskursen ein.
Ulrike Körbitz unterzieht zwei Episoden „sexueller Anzüglichkeit“ einer psychoanalytischen Deutung, wobei es unterschiedliche Ausgangspunkte sind, weil es in einem Fall um den durch lust- und spaßvollen Umgang mit Sexualität unter Frauen geht, im anderen Fall um den bedrohlichen, unangenehmen Blick männlicher Machtdemonstration.
Barbara Schmidt untersucht abschließend, welche Persönlichkeiten von Nutzerinnen und Nutzern in der aktuellen Handywerbung entworfen werden, um so jene kulturellen Werte und Normen zu extrapolieren, die in den Gebrauch dieser Geräte eingeschrieben sind, die aber jeweils akzeptiert, verworfen oder unterlaufen werden können.
Die künstlerische Gestaltung dieses Heftes unterlag dieses Mal Matthias Weinzierl, der mittels seiner Arbeiten Bilder im öffentlichen Raum durch ironische Interpretation hinterfragt und diese als Meinungsbildungsinstrumente offen legt.
Dabei werden auch Bildpolitiken des Zeigens und Nicht-Zeigens und damit des Thematisierens und Tabuisierens kommentiert. Seine Arbeiten werden daher zu der so genannten politischen Grafik gezählt, welche die Bereiche politischen Aktivismus und Grafik verbindet und so Stellung zu politisch brisanten Themen bezieht.