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Der Atmosphärebegriff ist in den kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen in den letzten Jahren vermehrt in den Blick gekommen und auch in diesem Heft des Kuckucks lässt sich eine Vielzahl an Atmosphären und Annäherungen daran entdecken. Warum erfährt der Begriff diese besondere Aufmerksamkeit?

Für die alltagskulturwissenschaftliche Rezeption scheinen vor allem zwei Punkte zentral: Zum einen die Anschlussfähigkeit im Kontext einer Wiederkehr des Interesses am Materiellen und an den Dingen sowie zum anderen das Potenzial für die Beschäftigung mit Immateriellem und damit mit dem sinnlichen Gehalt des Alltagskulturellen. In dieser Verschränktheit lassen sich spezifische Aspekte von Macht und Kontrolle ausmachen: Einerseits die strategische Gestaltung von Atmosphären, andererseits die unbewusste, aber dennoch habitualisierte Rezeption derselben. Atmosphären ist man trotz möglicher Potentiale zur Mitgestaltung oft ausgeliefert. Sie umfangen und nehmen ein und können Wohlbefinden als auch Unwohlsein auslösen. Als letzte Konsequenz – jenseits von Aneignung – bleibt dabei oft nur der Rückzug.
Zwischen diesen Polen der Gestaltung, der sinnlichen Erfahrung und der Inklusion/Exklusion pendeln auch die Texte der vorliegenden Ausgabe. Die Beiträge reichen von Auseinandersetzungen mit dem Begriff und mit Fragen der Gestaltung konkreter atmosphärischer Räume über Analysen spezifischer, „marginaler“ Atmosphären (Keller, Nacht und Pornokino) und Atmosphären im Bild und Film bis zu der Rolle, die die Produktion von Heimat-Atmosphären fachgeschichtlich in der Volkskunde spielte.
Nach den Potentialen und Fallen des Atmosphärenbegriffs für eine Alltagskulturwissenschaft fragt Ana Ionescu in ihrem Beitrag. Sie stellt die Arbeiten des Philosophen Gernot Böhme jener des französischen Soziologen Jean-Paul Thibaud gegenüber, resümiert, dass in beiden Ansätzen die akteurszentrierte Perspektive zu kurz kommt, und warnt vor essentialisierenden Verwendungsweisen des Atmosphärebegriffs.

Beispielhaft nimmt Malte Borsdorf die AkteurInnenseite von Atmosphären in seiner Zusammenführung von Disability Studies und Stadtanthropologie in den Blick und zeigt auf, wie die implizite Annahme eines idealtypischen Körpers die Unterschiede in der Rezeption von Atmosphären übersehen lässt, was sich auch in der (un)bewussten Gestaltung von (ausschließenden) Atmosphären widerspiegelt.
Um die Gestaltung von Atmosphären geht es auch im Text von Sarah Braun. Sie fragt nach dem Mehrwert von Atmosphären in einer Gesellschaft, in der Gefühle zur Ressource geworden sind. In den immateriellen Aspekten von Atmosphären, im eigenen sinnlichen Miteinbringen erkennt sie aber auch Handlungsspielraum für Veränderung.

Bei Alexander Edmund Rissmann ist die „Stimmung im Keller“. Im Rahmen seiner „Kellerforschung“ beschäftigt er sich mit dem Keller als „anderem“ Raum, als Halde und Speicher und mit der Verschwiegenheit, die diesen Teil des Hauses umgibt. Jenseits des inhaltlichen Fokus macht er Kellerforschung als einen methodischen Zugang stark, um untere Bereiche kultureller Atmosphären zu beforschen.
Thomas Felfer wirft nicht nur einen Blick auf nächtliche Atmosphären und die Menschen, die diese aushandeln, sondern auch auf die Dimension des Klangs und lässt LeserInnen mithören: Über den Link www.uni-graz.at/kuckuck/ton.html können Sie sich Tonbeispiele anhören, die den Text atmosphärisch erweitern. Ein paralleles Lesen und Hören wird empfohlen!
Ich schreibe am Beispiel eines pornographischen Kinos, in dem sich ein Partybetrieb etabliert hat, über die (Un)Sichtbarkeit von Räumen und die Produktion von Atmosphären sowie deren Umnutzung im Rahmen von Gentrifizierungsprozessen. In den Fokus gelangt damit die visuelle Form stadträumlicher Aneignung von atmosphärischen Eigenschaften.
Auch bei Simone Egger kommt die atmosphärische Stadt in den Blick. Sie lehnt sich an das Konzept eines Habitus der Stadt an und erläutert, wie die Royal Wedding das kulturelle Gewebe Londons atmosphärisch adaptiert und auf die städtische Bühne bringt.
Die Atmosphäre im Bild interessiert Jürgen Hasse in seinem Beitrag. Er beschäftigt sich anhand des Gemäldes „Toteninsel“ von Arnold Böcklin mit landschaftlichen Atmosphären und spürt den verschiedenen Kräften nach, die am situativen Erscheinen von Landschaften beteiligt sind.
Silke Andris fragt nach Atmosphären im Film, insbesondere nach der dokumentarischen Atmosphäre. Sie erkennt im Dokumentarischen – analog zum „Halbding“ Atmosphäre – ein „Zwischending“, das von Gefilmten, technischer Apparatur und Filmenden als auch zwischen dem Zuschauer und dem Film produziert wird.
Den Abschluss bildet ein Beitrag von Magdalena Puchberger zur volkskundlichen Fachgeschichte, der nach der Produktion von Atmosphären in zentralen Institutionen der Volkskunde der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts fragt: den Volkskundemuseen. Puchberger arbeitet dabei heraus, wie volkskundliche AkteurInnen bei der Herstellung einer heimatlichen, völkischen Atmosphäre mitwirkten.
Das Kunstinsert stammt von Boris von Brauchitsch. In seinen Fotographien zeigen sich die Variationen atmosphärischer Qualitäten, Effekte der bildlichen Übersetzung und damit, was es heißt, Atmosphären mit der Kamera einzufangen.


Georg Wolfmayr