Gerlinde Malli
Für Frauen gegründet
Das hochglanzpolierte Bild der erfolgreichen Frauen in der Geschäftswelt ist konstruiert und durch Economy-Propheten verstärkt. Man könnte fast meinen, das sei Realität. Es gibt sie. Kein Zweifel. Es gibt sie - allerdings als Ausnahmeerscheinungen, als "Randgestalten" in den oberen Etagen der Arbeitswelt, im wirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Feld gleichermaßen. Die Bühne scheint freigegeben für "First Ladies" - sie erscheinen im Rampenlicht und nicht zuletzt im Namen einer Politik, die mehr als die verfängliche Gleichheit predigt, die exemplarisch veranschaulicht, dass es möglich ist, wenn man nur will. Damit ist auf der anderen Seite gleichzeitig unterstellt, dass berufliches "Scheitern" individuelles Versagen voraussetzt. Als lokal- oder nationalspezifische Besonderheit erscheint in diesem Zusammenhang ein Paradoxon an der Oberfläche: zwar scheint sich der amerikanische "Tellerwäscher zum Millionär Mythos" durchzusetzen, anders aber wird die damit verknüpfte Idee des "trial and error" bewertet - der Versuch des sozialen Aufstieges wird propagiert, ein Scheitern allerdings nicht nur individualisiert, sondern in solchem Maße gesellschaftlich verurteilend bewertet (sanktioniert), dass kaum noch Möglichkeiten geboten sind, ein zweites Mal zu starten. Scheitern bedeutet somit gleichzeitig sozialen Abstieg, wenn nicht soziale Ächtung. Kein Wunder also, dass jene Firma, die für Frauen, die gründen wollen, gegründet wurde, dem provinziellen Ort in ihrer Ausrichtung Rechnung trägt: Das feingeschliffene Bild der Karrierefrau muss aufrecht erhalten bleiben. Scheitern wird von vorne herein ausgeschlossen oder wie es die Managerin des Zentrums auszudrücken vermag: " Die Krankheiten wollen wir nicht, wir wollen keine krankenden Unternehmen im Haus."
Der Schauplatz
""Dirty old town" oder buntes Multikulti-Zentrum abseits der schnuckelig herausgeputzten Innenstadt?" - oder, so könnte dem journalistischen Befund hinzugefügt werden, das Manhattan einer Provinzstadt?
Die UIF (Unternehmerinnen-Infrastruktur-Firma), wie ich das Zentrum für Gründerinnen künftig nennen will, befindet sich in jenem Bezirk unserer Stadt, in dem der Anreiz, ein Gebäude zu errichten, zu sanieren oder einen Platz (neu) zu gestalten, angesichts der Masse an fertigzustellenden und bereits realisierten Bauprojekten in den letzten Jahren durch EU-Förderungsprogramme gestiegen zu sein scheint. Der Umgebung rund um den Platz, an dem sich der fünfgeschossige Büroneubau mit transparentem Sockelgeschoss befindet, wurde im Programm eines EU-Gentrification-Projektes besondere Aufmerksamkeit geschenkt, um wirtschaftliche Aufwertung eines Gebietes zu erzielen, an dem sich negative, stigmatisierende Konnotationen konzentrieren. Neben der UIF steht auch die Wirtschaftszentrale des Landes im Zeichen des EU-Projektes, das eng mit stadtpolitischen Initiativen verwoben ist. Die Wirtschaftszentrale befindet sich in einem prunkvollen sanierten Altbau und grenzt unmittelbar an die UIF. Seine äußere Symbolik spiegelt die Aktivitäten im Inneren wider. Ihr ist es zu verdanken, dass sich der Standort der UIF in der Wahrnehmung der darin ansässigen Unternehmerinnen als "gute Geschäftsadresse" niederschlägt. Die Nachbarschaft zu mächtigen potenziellen Kooperationspartnern gleicher Gesinnung wertet die Wahrnehmung der eigenen Positionierung auf: "Das ist schon ein ausgezeichneter Streifen hier, dieser Platz ... ein Bereich, der jetzt zum Nobel- oder Neo-Bürobezirk wird und adaptiert wird. Ich glaub', der Bezirk ist nicht nur durch die UIF aufgewertet, sondern durch die Wirtschaftszentrale. Das war ein sehr, sehr toller Schritt, dass sie sich hierher gesetzt haben." (Eine Unternehmerin) Der Platz entwickelt sich mehr und mehr zu einem Platz reger wirtschaftlicher Aktivitäten und ihre Manifestationen sind Ausdruck der demonstrativen Besetzung von Räumen, sind Ausdruck der Definitionsmacht der Wirtschaft.
Profilierungsdruck und Neutralisierungseffekte
Wenn Frauen sich in den männerdominierten Unternehmensbereich vorwagen, sind sie besonders kritischer Beurteilung ihrer Leistungen ausgesetzt. "Gründer/innen in untypischen Branchen fallen stärker auf und müssen häufiger den Beweis von besonderen Fähigkeiten antreten." Der Druck, der auf die Gesamtorganisation UIF ausgeübt wurde, ist enorm. Zunächst musste ein Bild kreiert werden, das potentielle Fördergeber dazu motivierte, tatsächlich eine finanzielle - und damit ideologische - Unterstützung zu leisten. Die AVZ (Arbeitsvermittlungszentrale), die für die Wiedereingliederung Beschäftigungsloser verantwortlich ist, wurde mit der Argumentationslinie , arbeitslose Frauen am Weg in die Selbständigkeit zu begleiten, gelockt und hat damit den Großteil der finanziellen Unterstützung der Anfangsphase geleistet. Politische Unterstützung war ebenso notwendig. Ein Wirtschaftsverantwortlicher des Landes und Angehöriger der "Rechts-von-der-Mitte-Partei", die in der Regionalregierung die Mehrheit besitzt, hat von Beginn an Interesse an diesem Projekt bekundet und die UIF unterstützt.
Die Entwicklung des geförderten Projektes wird messerscharf beobachtet. Nun wird Profilierungsdruck spürbar. Es muss funktionieren, es muss Erfolg zeigen, nicht zuletzt deshalb, weil bedeutendes Renommee der Initiatorin, die mitunter Trägerin einer politischen Funktion ist, am Spiel steht. Die UIF versucht sich abzusichern, indem lediglich erfolgreiche bzw. erfolgsversprechende Unternehmerinnen zugelassen werden. Trotz strikter und strenger Ausleseverfahren befindet sich eine Gründerin in der UIF, die im Moment mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Man befürchtet Imageverlust. Weniger subtile Verschleierungsstrategien lassen einmal mehr erahnen, welche lokalen, politischen und wirtschaftlichen Machtmechanismen in Gang gesetzt werden, wenn Renommee und Anerkennung am Spiel stehen.
Der Anpassungsdruck an männliche Erfolgsnormen wird durch Fremdeinschätzungen und Wahrnehmungen von außen, von anderen Unternehmern oder Kunden, verstärkt. Ausgelöst werden kann dabei ein Unterbinden der weiblichen Identität. Aufgrund eines askriptiven Merkmals, des Geschlechts etwa, sind die Gründerinnen stärker sichtbar, besonderen Belastungen, Rollenzuschreibungen und Verhaltensanforderungen, zuweilen Anpassungszwängen ausgesetzt. Sie sind Tokens innerhalb der Gruppe der Dominants. Sie fallen auf, und um als gleichwertig anerkannt zu werden, müssen sie mehr leisten als die Dominants.
"Man erwartet von Tokens, dass sie gängigen Generalisierungen und Stereotypen entsprechen." Die Entwicklung einer Individualität von Tokens wird unterbunden, obwohl sie als andersartige Personen wahrgenommen werden. Damit tragen sie paradoxerweise zu einer Stärkung der Kultur der dominanten Gruppe bei. Sie distanzieren sich von ihrer eigenen Gruppe, weil sie gezwungen werden, ihre Loyalität der dominanten Gruppe gegenüber unter Beweis zu stellen.
Die Gründerinnen der UIF stehen geschlechtsspezifischen Frage neutral gegenüber, sie abstrahieren von Unterschieden. Sind die formalen Grenzen überschritten, scheint sich über kommunikative und symbolische Mittel die Separierung von Grenzen neu herzustellen. Die Widersprüchlichkeiten der Maßstäbe, die schon Simmel Thema war, scheinen sich nicht aufgelöst zu haben. Traditionelle Bilder sitzen tief und Geschlechtsneutralität - im Falle der Männer institutionell gesichert - bedeutet für Frauen mitunter harte Neutralisierungsarbeit, "die ein subtiles Oszillieren zwischen doing und undoing gender erfordert." Als Strategie im "Überlebenskampf" kann ein feinfühliges Pendeln zwischen bewusstem Einsatz von "Weiblichkeit" und Akzentuierung geschlechtsneutraler Eigenschaften geltend gemacht werden.
Damit wird deutlich, dass es dort, wo strukturelle Grenzen überwunden scheinen, mehr braucht, um geschlechtliche Separierungen transparent und wirkungsmächtig zu halten - "kommunikative Bestätigung [nämlich] und ein breites Repertoire an kulturellen Zeichen -, die diese Grenze immer wieder in Erinnerung rufen."
Ein soziales Feld
Das Feld des Unternehmertums ist wie andere Felder auch eine Welt mit eigenen symbolischen Codes und Regeln. Diese Codes richtig dekodieren zu können, eine richtige Antwort auf die Anforderungen der Situation zu entwerfen, setzt laut Bourdieu den richtigen praktischen Sinn voraus. Es handelt sich dabei nicht um rationale Berechnung eines erfolgsorientierten Subjekts, sondern der praktische Sinn "wendet ein Wissen an, das den Handelnden in Fleisch und Blut übergegangen, das inkorporiert ist und daher um so sicherer beherrscht wird."
Eine unserer Unternehmerinnen wurde zwar nicht unmittelbar in der Unternehmerwelt sozialisiert, dafür aber in der Männerwelt - ein großer Vorteil, wie sie meinte, um auf die Umgebung ihrer Arbeitswelt adäquat reagieren zu können:
"Ich war als Mädchen ... mein Vater war neben seiner beruflichen Tätigkeit - er war auch Führungskraft in einem sehr großen Betrieb - Jäger und hat mich immer mit genommen, das heißt, ich war von ganz klein an in diesen Jägergruppen drinnen. Ich war der beste Schütze zeitweise (lacht). Also da muss man immer einmal jährlich das Gewehr einschießen und da war ich immer ganz vorne mit dabei. Und so bin ich, ohne das bewusst für mich zu realisieren ... ich wurde mit der Männersprache sozusagen erzogen, ich hab ganz hautnah miterlebt, wie Männer reagieren, in welcher Form sie ihre Riten auch leben. Das heißt, ich bewegte mich in einer Männerwelt und da hab ich einfach den Umgang gelernt [...] und ich hatte nie das Gefühl [...], dass ich in irgendeiner Form einen Nachteil gehabt hätte, weil ich Frau bin." (Eine Unternehmerin)
Auf der anderen Seite kann der Eintritt in ein für den jeweiligen Akteur bzw. die jeweilige Akteurin "fremdes" Feld als schwierig, wenn nicht schmerzhaft erfahren werden.
In weiterem Sinne sind die Unternehmerinnen Inhaberinnen von Führungspositionen - sie führen sich selbst. Ihrer sozialen Herkunft nach scheinen sie dem mittelständischen Milieu anzugehören. Innerhalb dieser "Klasse" wechseln sie zum aufgestiegenen Kleinbürgertum. Bourdieu schreibt über das neue Kleinbürgertum:
"Man denke nur an die Gegensätze zwischen Erzieher oder Animateur und Grundschullehrer [...] zwischen Meinungs- oder Marktforscher und Bank- oder Postangestelltem, um sich klar zu machen, dass - anders als die etablierten, fest in einer Hierarchie verankerten und unzweideutig das Bild eines für Gegenwart wie Zukunft genau festgelegten Metiers aufzwingenden Positionen - die neuen oder modernisierten Berufe Strategien symbolischer Aufwertung erlauben und begünstigen, die der Gebrauch adelnder, mehr oder weniger offen euphemistischer Doubletten illustriert: "Mitarbeiterin" statt Sekretärin, "psychotherapeutischer Betreuer" statt Pfleger in der Nervenklinik."
Am deutlichsten tritt dieser Effekt zutage, "wenn Akteure sich bemühen, Posten zu schaffen, die ihren Ambitionen entsprechen, statt ihre Ambitionen auf bereits vorhandene Posten auszurichten." Diese symbolischen Aufwertungsversuche treten auch in der UIF in Erscheinung - Sekretärinnen werden zur Office-Managerinnen, Unternehmensberaterinnen zu Consultants und Personalentwicklerinnen zu Human-resorces-Managerinnen. Diesem neuen Kleinbürgertum sind spezifische Eigenschaften zugeschrieben, die sich in feinen Nuancierungen von jenen des aufstrebenden Mittelstandes ebenso wie der etablierten Schicht unterscheiden. Die Askesehaltung des aufsteigenden Kleinbürgertums ist abgelegt, "um begeistert an der Durchsetzung der neuen ethischen Normen (speziell im Konsumbereich) und der entsprechenden Bedürfnisse mitzuwirken." Die Angst vorm Genießen ist der "Pflicht zum Genuss" gewichen. Sich nicht amüsieren zu können, wird als Misserfolg empfunden. Diese Unfähigkeit bedroht das Selbstwertgefühl. So etwa antwortete eine der Unternehmerinnen auf die Frage, ob sie Karriere gemacht habe:
"Nein, ich will Spaß haben, Karriere ist immer mit Stress verbunden (lacht). Ich plane höchstens bis zum nächsten Wochenende. [...] dass ich öfter in die Stadt gehe und einen Eiscafe trinke, also das lasse ich mir nicht nehmen. Dann bin ich schon zwei, drei Stunden in der Stadt und genieß'."
Dass die Existenz des aufsteigenden Kleinbürgertums ein Vorgriff auf die Zukunft ist und wie der Unterschied zwischen den Generationen - damit zwischen aufsteigendem und neuen Kleinbürgertum - zutage tritt, wird mit der folgenden Interviewpassage veranschaulicht:
"Es hat mich sicher beeinflusst, weil ich es mehr genießen möchte und mehr Spaß haben will, weil das ist die Generation, die daran sicher nicht so viel Spaß gehabt hat, was aufzubauen, sich etwas zu schaffen. Sie hatten zu schauen, dass die Kinder es besser haben. Für die ist das Arbeiten ... also sicher, mein Vater könnte auch nicht ohne Arbeit sein, aber so, dass er wirklich Spaß an dem allen hat, das Gefühl hab ich nie gekriegt. Ich glaub' schon, dass ihm sein Job taugt, aber vermittelt hat er mir das nie, für mich war das immer nur Stress und "ach wie vorsichtig" und "ach was weiß ich noch alles", vielleicht hab ich das dann für mich so empfunden, dass ich das nicht so mach'." (Eine Unternehmerin)
Mit dem Streben nach Genuss verbindet sich ein "Kult um die Gesundheit der Person und psychologische Therapeutik". Im Ausdruck von "Alternativen" manifestiert sich säkularisierte, religiöse Heilssuche: Esoterik, Homöopathie, Feng Shui, Meditation und Populärpsychologie sind "Ausdrucksformen eines Traums, der Gesellschaft zu entfliehen, eines verzweifelten Versuchs, sich der Anziehungskraft des gesellschaftlichen Gravitationsfeldes zu entziehen." Es ist der Versuch, alles Kleinbürgerliche zu verwerfen und zum "Ursprünglichen" bzw. "Natürlichen" zurückzukehren, indem "Ganzheitlichkeit" - der Begriff schlechthin, der diese spezifi-sche Art zu denken und zu leben subsumiert - gelebt wird. "Was mache ich in meiner Freizeit? Ich beschäftige mich mit esoterischen Randgebieten, die meiner Ansicht nach sehr wichtig sind für den Menschen an sich, seien es jetzt fernöstliche Geschichten wie Feng Shui, Yoga, ich beschäftige mich auch mit Ernährung und Psychologie." (Eine Unternehmerin)
Dem ganzheitlichen Denken verpflichtet, wird eine direkte Verbindung zwischen "privatem" Interesse an "Alternativen" hin zum Beruf gezogen. So war es für manche Unternehmerin relativ schwierig, die Frage nach dem Verhältnis zwischen Frei- und Arbeitszeit zu beantworten, eine Frage zudem, so wurde darauf hingewiesen, die nicht der Selbständigenkultur angemessen zu sein scheint, zumal "dieses allgemeine "Freizeit haben" nichts mit der Unternehmerseite zu tun hat, das ist Angestelltenempfinden".
Die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit ist also zumindest verschwommen, wenn nicht aufgelöst: "Wenn ich zum Beispiel in der Früh Laufen gehe, dann trage ich auch Probleme mit mir, gerade beim Laufen fällt mir oft die Idee ein, die mir wahrscheinlich da durchs Sitzen nicht gekommen wäre, drum kann ich nicht sagen, ich arbeite jetzt 40, 60 Stunden, ich kann das nicht wirklich versichern." (Eine Unternehmerin)
Diese Einstellung korreliert mit jener des Freundes- oder Bekanntenkreises. Man sucht die Nähe zu Personen, die ähnlich denken und leben:
"Wir haben sehr viele Freunde, die auch ... also, wie soll ich das jetzt ausdrücken, das klingt jetzt so blöd. Wenn ich sag, dass sie Akademiker sind, das ist eigentlich nicht wichtig, es sind Leut', denen die Arbeit sehr wichtig ist, die sehr viel investieren auch. Wir bewegen uns sehr stark in diesem Umfeld. Es sind Leut', die sehr viel in ihre Ausbildung investiert haben, die sehr viel eingesetzt haben vor allem an Zeit und Ehrgeiz und denen die Arbeit sehr wichtig ist. Und da ist es so Usus, wenn man sich trifft, dass man auch über die Arbeit redet. Es ergeben sich oft auch Kooperationspotenziale." (Eine Unternehmerin)
Persönlichkeit als Auslesekriterium
Auffallend häufig wird von "Persönlichkeit" gesprochen - Persönlichkeit als ausschlaggebender Karrierefaktor, als Selektionskriterium, um in die UIF aufgenommen zu werden. In jedem Fall ist "die Persönlichkeit" Maß des Erfolges, unklar aber bleibt, was damit tatsächlich gemeint ist.
""Wir suchen Persönlichkeiten", heißt es heute unisono in den Unternehmen. Ob Hochschulabsolvent oder Manager, ohne Persönlichkeit sinken die Karrierechancen. Doch was ist eine Persönlichkeit? [...] Die geforderten Eigenschaften lassen sich nur schlecht überprüfen, und keiner weiß, ob oder wie man sie erlernen kann. Persönlichkeit ist längst zur Worthülse geworden."
So ist zunächst zu fragen, welchen Nutzen die UIF durch ihren Ruf nach Frauen mit "Persönlichkeit" erfährt und dann, wie die Unternehmerinnen, die den ersten Persönlichkeitscheck positiv überstanden haben, damit umgehen. Exemplarisch sei auch die Geschichte jener Unternehmerin hervorgehoben, die mit Startschwierigkeiten zu kämpfen hat.
Die Wichtigkeit, die der richtigen Persönlichkeit beigemessen wird, steht in engem Zusammenhang mit Persönlichkeitsseminaren- oder trainings, die teilweise von den Gründerinnen selbst angeboten werden bzw. die die meisten der Frauen in der UIF in Anspruch nehmen. Engstens damit verbunden zu sein scheint der Grundgedanke, "dass der Mensch selbst schuld an seinem Schicksal ist. Alles, was ihm im bisherigen Leben passiert ist, hat er gewollt." Dabei werden Schuldgefühle erzeugt. Beeinflussungen, Manipulation und Kontrolle können die Folgen sein.
Zwischen Unternehmerinnen, die sich in die UIF eingemietet haben, der Initiatorin und der Managerin des Zentrums bestehen Abhängigkeitsverhältnisse. Obwohl aktive Steuerung seitens der organisatorischen Ebene ausgeschlossen wird, wird dort Druck spürbar, wo Unternehmen den erwünschten Erfolg nicht bringen.
Dass es ein hartes Ausleseverfahren gibt, wird von denen, die es überstanden haben, als sehr positiv bewertet. Sie sind der Ansicht, dass das Auswahlverfahren für den generellen Erfolgskurs der UIF verantwortlich gemacht werden kann:
"Es ist gut, dass man hier sehr, sehr genau schaut ... wo der Erfolg absehbar ist, wo sehr viel Überlegungen da sind, nicht nur "das trau' ich mir zu", sondern wirklich Überlegungen aufgrund von Erfahrungen und wie man sieht, der Erfolg gibt ja genau dieser Aussage recht. Wir sind noch nicht einmal ein Jahr da, aber wir haben jetzt schon eine ordentliche Erfolgsgeschichte." (Eine Unternehmerin)
Auf der anderen Seite ist es den Mieterinnen in der UIF wichtig, dass die Leute von ihren Einstellungen her zusammenpassen:
"Es ist ja hier ... man ist relativ eng zusammen, jeder hat zwar sein Zimmer, aber an und für sich lässt jeder seine Tür offen, außer es sind Besprechungen oder man geht ins Konferenzzimmer ... also, passt der in die Gruppe rein, passt der nicht in die Gruppe rein? Weil geplant ist ja, dass sie zusammenarbeiten und da muss man sich verstehen." (Eine Unternehmerin)
Und je mehr sich die UIF füllt, umso bewusster wird darauf geachtet, dass die Persönlichkeiten zusammenpassen: "Wir müssen da auf unser Gefühl aufpassen, was uns das Gefühl sagt, ob sie [die Anwärterinnen auf einen Mietplatz] sich fügen." (Managerin)
Dass diese "harte" Auswahl, wie sie von den Gründerinnen empfunden wird, sie ihre Position als "Besonderheit" empfinden lässt bzw. ihre Selbsteinschätzung als erfolgversprechende Figuren gewissermaßen institutionell verstärkt, wundert nicht. Ihre "Persönlichkeit" erfährt offizielle Anerkennung und verspricht Erfolg - Erfolg, der nicht nur ihnen selbst zugute kommt, sondern ebenso im Namen der Stadt, des Landes, der Institution und ihrer Initiatorin Würdigung erfährt. Misserfolg hingegen löst weniger subtilen Einsatz von Machtmitteln aus, steht nicht nur der Ruf einer Einzelperson am Spiel, sondern vor allem auch jener der Gesamtorganisation. Die Repräsentantinnen der UIF versuchen über offensichtliche Verschleierungstaktiken den Misserfolgskurs einer ihrer Mieterinnen unter Verschluss für die Öffentlichkeit zu halten. Die Person selbst gerät unter enormen Druck, etwas verändern zu müssen und wird verunsichert. Ihre Verunsicherung äußert sich in einer ambivalenten Haltung und Argumentation, die das gesamte Gespräch, das sie mit mir geführt hat, durchzieht. Für jede Frage, die sie scheinbar eindeutig beantwortet, findet sich an einer anderen Stelle das Gegenteil der Argumentation. Diesen Umstand führe ich auf eine mögliche Beeinflussung durch Managerin und Initiatorin zurück. Die Sprache der Institution ist nicht unschuldig:
"Es ist sicher auch ein Kriterium ... also sie ist die einzige, die von der Branche her nicht wirklich hereinpasst, aber man könnte sich ja auch so positionieren, dass man auch Synergien schafft. Ich glaub, dass man das schaffen könnte. Es wär nicht so ein Problem ... aber wenn man so in der klassischen Technik verhaftet bleibt, dann passt das nicht zu den anderen Dienstleistungen." (Managerin)
Gerade ihr, der Technikerin, die als ihr Lebensmotto "In Bewegung bleiben, sich weiterbewegen" angibt, wird Behäbigkeit unterstellt und ihr, die "die richtige Persönlichkeit haben" als erfolgbestimmenden Faktor für eine Unternehmensgründung angibt, wird nahe gelegt, sich "persönlich umzustrukturieren."
Die widersprüchlichen Aussagen unserer Technikerin lassen vermuten, dass sie sich auf eine Gratwanderung begeben hat: ihr eigentliches Metier, das langfristiges Denken und Planen erfordert, zu verlassen, heißt auch, sich anderen, neuen Anforderungen zu stellen: Kurzfristigkeit, rationales Kalkül und Persönlichkeitstraining sind hier die Erfolgsparameter. Die Widersprüchlichkeiten spiegeln eine Unvereinbarkeit zwischen "authentischen" Einstellungen und Beeinflussungen von außen wider - es bleibt abzuwarten, wofür die Technikerin sich entscheidet: Es gibt nur zwei Möglichkeiten - Ausstieg oder Anpassung. Den Prozess der sozialen Anpassung als "Gehirnwäsche" zu bezeichnen, wäre womöglich übertrieben, Tendenzen der Kontrolle von Verhalten, Gedanken und Emotionen sind aber dennoch spürbar. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass "positives Denken" oder Persönlichkeitstrainings unterschiedlicher Coleur von Machtinhabern häufig dafür missbraucht werden, seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in ihrer Leistungsfähigkeit anzukurbeln und Kritikfähigkeit zu unterbinden.