Die umfangreichen Veränderungen im Übergang zur dritten Phase der Moderne werden mit Begriffen wie Globalisierung und Technologisierung oder Beschreibungen wie Aldous Huxleys "Brave New World" kaum mehr faßbar. Das Prinzip der Freiheit des Individuums und Bemühungen um eine gesellschaftliche Ordnung auf Basis von Humanität und Anerkennung von Heterogenität erscheinen dabei in einem diffusen Licht. Die "neue Weltordnung" globalisierter Wirtschafts- und Gesellschaftsökonomie erscheint im Spiegel gegenwärtiger kulturwissenschaftlicher Betrachtungen als Form neuer gesellschaftlicher Ungleichheitsrelationen, der Produktion eines "Elends der Welt" oder eines "Kampfes der Kulturen", neuer Formen von Gewalt, Angst oder Neid. Der anthropologische Raum einer modernen Welt mit seinen Orten der Erinnerung, seinen kollektiven und individuellen Gedächtnissen, seinen Geschichten und Identitäten hat sich wohl als Konstrukt der Moderne in den Fasern der Netzkultur verloren.
Die Dynamik zwischen symbolischer Ökonomie und Urbanisierung erzeugt unterschiedliche Lebensstile, die nicht selten in Widerspruch zueinander geraten. Die Stellung des Einzelnen ist aber immer mehr von der "Kultivierung" bestimmter Lebensstile abhängig. Vermehrt kommt es in der Individualisierung und Pluralisierung zu neuen Formen von Ausschließung und Abgren- zung. Themenparks, Shopping Malls oder sogenannte "Urban Entertainment Centers" scheinen hier eine Entwicklung darzustellen, die sich seit langem abzeichnet und gleichzeitig auf eine Veränderung des öffentlichen Lebens verweist. Solche Orte des Spektakels stellen Räume dar, deren Inhalte idealisierte Leitbilder repräsentieren und kollektive Identitäten herstellen.
Diese Art der Raumorganisation ist geprägt von Sicherheit, Sauberkeit, Familienfreundlichkeit und einem Sinn für Zusammengehörigkeit. In diesen Zusammenhang sind auch Veränderungen der Körperwahrnehmung zu sehen, die sich sowohl über die medizinisch-technischen Möglichkeiten von Organtransplantationen oder Gentechnologie ausdrücken, als auch über die Vernetzung unterschiedlicher Kommunikationsformen. Trotz der oft künstlich anmutenden Atmosphäre kann "die schöne neue Zeit" nicht als Simulation oder als "nichtauthentisch" angesehen werden, wie sie von Kritikern oft beschrieben worden ist - sie erzeugt Realitäten.
Im Beitrag von Nadja Beatrice Buoyardane wird die Frage nach dem Bild des Körpers im Spannungsfeld von Krankheit, Gesundheit und modernster Medizin gestellt. Aspekte der Organtransplantation, der Todesdefinition und des alltäglichen Denkens über den Körper stehen hier im Vordergrund. Walter Leimgruber analysiert die Expo 2000 als eine Art Wallfahrtsstätte an der Klippe des 21. Jahrhunderts und als Ausdruck einer noch immer nicht enden wollenden Fortschrittseuphorie. Gerrit Herlyn geht neuen Formen der Partnersuche mittels Mail und Chat auf den Grund, er sichtet hier eine neue Qualität der kommunikativen Fähigkeiten. Die Donau als identitätsstiftendes Symbol der Postmoderne im Rahmen der Veränderungen der Stadt Linz ist Thema des Beitrages von Judith Laister. Petra-Fosen Schlichtinger spricht mit Anna Bergmann über Schwerpunkte aus ihrem Buch "Die verhütete Sexualität" wie Rassenhygiene, Invitrofertilisation und Euthanasie. Gerhard Amendt fragt nach den gegenwärtig von mehreren Seiten bedrohten Bedeutungsrelationen und Funktionen von Familie und zwischenmenschlichen Bindungen. Susanne Geser betrachtet die Kultur des Internet im Spiegel historischer und alltäglicher Lebensbereiche der Menschen. Walther Reithoffer lädt uns auf ein tückisches, gar nicht so unrealistisches Sci-Fi-Spiel mit der Zeit- und Substanzlosigkeit von Musik ein. Der vielseitige und kritische Beitrag von Fritz Franz Vogel beschreibt die unterschiedlichsten Formen von Erlebnisparks. Der angehende Architekt Markus Bogensberger hat für dieses Heft Grafiken in Form von sogenannten "Screen Shots" zur Verfügung gestellt. Die vertratue Realität von Webseiten dient als illustrative Untermalung, als Abbild einer "schönen neuen Zeit".
Manfred Omahna