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      # this is the editorial of Journal:Kuckuck;
      Issue:1/21; Topic:Code

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Hello Kuckuck!

 

Codes sind Formen der Zuordnung, Abbildung und Verknüpfung von Bedeutungen oder Informationen. Sie sind Relationen und Beziehungen und stellen diese gleichzeitig her. In den Kultur- und Geisteswissenschaften begegnet uns ein semiotisches Verständnis (kultureller) Codes in vielfältiger Form. Gleichzeitig erlebte der Code-Begriff im Zeitalter allgegenwärtiger digitaler Computertechnologien und Mensch-Maschinen-Kollaborationen – über semiotische und symbolische Codes hinaus – in diversen Zusammenhängen ein Revival: Source Codes, Binärcodes und Algorithmen;  Software, Verschlüsselungstechnologien und Kryptographie; numerische Codes, Formeln und Funktionen; (Geo)mapping, Biometrie oder Computational Genomics.
Dieses engere Verständnis von Code fokussiert Prozesse, die verstärkt durch ein mathematisch-technologisches Wissen geprägt sind. Nicht zuletzt die Freie Software Bewegung hat den unbestimmten Begriff „Code“ mit dem Slogan „Code is Speech“ als Platzhalter für verschiedene Formen von Computer- und Programmiercodes beliebt gemacht. Die Beschäftigung mit solchen Codes wirft auch für Kulturwissenschaftler*innen neue Fragen auf, die in der vorliegenden Ausgabe des Kuckucks diskutiert werden. 

Dieses Heft stellt Code in seinen multiplen Formen, seiner Generierung und (De-)chiffrierung in den Fokus. Die Beiträge nehmen Code aus verschiedenen Perspektiven und theoretischen Gesichtspunkten in den Blick. Beispielsweise werden die Prozesse der Code-Generierung betrachtet, etwa Praktiken rund um das Programmieren von Software und die Frage wie darin durch Computercode Zusammenhänge und Bedeutungen fixiert werden. Diese Beschäftigungen führen gleichzeitig zu Fragen nach geeigneten methodologischen Zugängen. Wie sollen wir Code kulturwissenschaftlich untersuchen? Wie können wir unsere Methoden adaptieren, um Code als theoretische Perspektive in die Forschung zu integrieren? Müssen wir als Wissenschaftler*innen Programmiercode beherrschen oder verstehen, um digitale Forschungsfelder untersuchen zu können? Gleichzeitig wirft Code auch neue Fragen nach den Grenzen und Potentialen technologischer und menschlicher Handlungsmacht auf, wie am inflationär verwendeten Begriff des Algorithmus deutlich wird. Wie wirken (Computer)Codes in unserem Alltag auf, mit oder gegen uns? Welche Werte und Wahrheiten werden über Codes produziert und wie strukturieren sie unsere Praktiken oder beschränken sie gar? Codes fixieren Bedeutungen aber nicht nur, sie bleiben auch offen für Formen der Aneignung, des Gegenlesens und der Umdeutung oder werden, wie etwa in der Internetkunst, zum Selbstzweck.

Der künstlerische Beitrag dieses Heftes, widmet sich einer solchen Form von Code. Googles Deep Dream Technik, die maschinelle Lernverfahren für die Generierung von Bildern einsetzt, wird darin umgenutzt. In seiner Arbeit „Deep Ochsenkopf“ setzt Johannes Filter Künstliche Intelligenz als Werkzeug ein, um bestehende Kunstwerke in halluzinierende Bilder zu verwandeln. In innovativer Weise kombiniert Filter historische Wasserzeichen mit Abbildungen von Gemälden verschiedener Künstler*innen aus der Sammlung „Kreuzberger Boheme“ des FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museums. Die Software lernt Wasserzeichen zu erkennen und damit bestehende Gemälde neu zu „träumen”. Die Resultate liefern perspektivische Verschiebungen, unmögliche Geometrien und beinahe berauschende Qualitäten, die uns ins Staunen versetzen.
Die mitunter scheinbar magische Qualität von Technologien wird auch im eröffnenden Beitrag von Anne Dippel thematisiert. Sie konstatiert, wie mit der Digitalisierung auch der Schwindel eine neue Dimension gewinnt, der mit Künstlicher Intelligenz und sogenannten Deep Fakes gegenwärtig nur noch auf der Ebene des Codes zu entschlüsseln ist. Nur eine gegenwartsorientierte und empirisch kritische Kulturanthropologie, so Dippel, kann das Verhältnis von Wahrheit und Unwahrheit ethnografisch ergründen und in der Digitalen Vertrauen bilden.  Wie Computer Codes theoretisch und empirisch in ethnografischen Forschungen untersucht werden können, wird im anschließenden Beitrag von Rebecca Carlson, Ruth Dorothea Eggel, Lina Franken, Sarah Thanner und Libuše Hannah Vepřek ergründet. Code wird darin als verwobene und webende Assemblage verstanden, das sich in einem Zusammenspiel verschiedener menschlicher Akteur*innen und nicht-menschlicher Entitäten entfaltet. Fünf kleine Einblicke in die Feldforschungen der Autorinnen zeigen, wie diese konzeptionellen Überlegungen das empirische Vorgehen zur ethnografischen Analyse von Code leiten können, sodass weder Dichotomien zwischen getrennten Entitäten und Subjekten reproduziert noch das Prozesshafte und Plurale von Code aus dem Blick verloren wird. Die Metapher des Webens wird auch im Beitrag von Roman Tischberger eingesetzt, der sich dem Ordnen von Code in der Programmierpraxis widmet. Wie die Kettfäden eines Webstuhls, die Muster und Beschaffenheit von einer Idee in die Form gewebter Stoffe bringen, betrachtet er Prozesse des Ordnens von und durch Source Code anhand seiner ethnografischen Forschung mit Software-Entwickler*innen. Auch im folgenden Beitrag werden Programmierpraktiken betrachtet:  Julia Fleischhack untersucht eine Programmierinitiative für Kinder und Jugendliche in einer ländlichen Region in Brandenburg. Im Zentrum stehen außerschulische Vermittlungs- und Bildungsangebote rund um Medien- und Technikkompetenz und ihre inhaltlichen und ideellen Verstrickungen, etwa mit der Hackerszene, die Code, als emischen Begriff, zu einem Versprechen für die Gestaltung von Zukunft im ländlichen Raum erheben. Mit der Praxis des Programmierens und der Herstellung von Software als Handwerk beschäftigt sich danach Pierre Depaz. Wissen und Fertigkeiten „guten” und „schönen” Programmiercode zu gestalten wird darin als Taktik einer Handwerkskunst verstanden. Diese Perspektive eröffnet, basierend auf einer Materialität von Code, Möglichkeiten für eine bewusstere und gewissenhaftere Zukunftsgestaltung von Software. Die Auswirkungen der Gestaltung von Software und Algorithmen werden im Beitrag der Akteurinnen für urbanen Ungehorsam beleuchtet. Im Zentrum stehen Fahrradfahrer*innen eines Essenslieferdienstes, deren Arbeitsalltag von hierarchisierenden Codes durchdrungen und von App-Architekturen bestimmt wird. Unsichtbarkeit und Intransparenz der Infrastruktur führen zu Ausbeutungsverhältnissen, denen mit vielfältigen urbanen Formen des Widerstands und der Selbstorganisation begegnet wird. Fragen rund um die Transparenz von Infrastruktur beschäftigen auch Stefan Groth. An Beispielen von Morsecode und Radiotelegraphie in der Schifffahrt beleuchtet er Codes als „kommunikative Kartographien“, die zwischen Opazität, „Black Boxing” und Transparenz oszillieren. Für kulturwissenschaftliche und analytische Perspektiven sind dabei insbesondere die komplexen Prozesse der Einhegung von Code aufschlussreich.
Eine andere Form der Einhegung von Code steht im Fokus des literarischen Beitrags von Katrin Kremmler. Sie entführt uns in eine „alternate history”, in der die Protagonist*innen einem kryptographischen Code auf der Spur sind, der sich in den Wirren des 30-jährigen Krieges zwischen Automaten Musik und verschiedenen musikalischen Notationssystemen entspinnt. Wie digitale Codes auch ethnografische Forschungen durchziehen, übersetzen und neu interpretieren wird in Folge von Franziska Weidle ergründet. Um die Beziehungen von Ethnograf*innen und ihren Technologien zu fassen, wird ein Forschungsmodus der „computational correspondence“ vorgeschlagen, bei dem Forscher*innen mit digitalen Technologien und Code in Austausch treten, um neue Wissensformen jenseits des Linearen und Repräsentativen zu ermöglichen. Aus einem Modus des Austausches entstand ebenfalls der Beitrag von Isabella Kölz, Claudia Muth und Lukas Singiridis, die in einem experimentellen Schreibgespräch einen interdisziplinären Beitrag von Kulturanthropologie, Informationsdesign und Kognitionsforschung
beisteuern. Code wird darin einerseits in seiner Bedeutung im Gestaltungsprozess von Informationsdesign als Teil digitaler Computertechnologien sowie andererseits im Sinne symbolischer/semiotischer Codes diskutiert. Auf exemplarische Weise wird sowohl die Verbindung von Code und Design als auch das damit einhergehende Changieren zwischen Konvention und Innovation ersichtlich. Wie Code in diesem Gefüge als Kultur verstanden werden kann, nimmt der Beitrag von Carsten Ochs unter die Lupe. Beispielhafte Ausschnitte aus Quellcodes werden analysiert, um zu zeigen, dass Code sowohl durch Praxis strukturiert, als auch Praxis-strukturierender Aspekt von weitreichenden Kultur-Programmen ist, dessen Betrachtung durch aktuelle Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz und Machine Learning umso bedeutender wird.
Abschließend führt dieses Heft zu gegenwärtigen kryptographischen Verfahren, konkret zu Blockchains. Anna Weichselbraun zeigt, wie Blockchain-Technologien durch ihre Funktionsweise ohne „Mittelsmänner” durch „trustlessness” das Versprechen von Vertrauen vermitteln, und dabei dennoch nicht nur computertechnologischen, sondern auch sozialen Regeln folgen.
Code ist heute zu einem grundlegenden Bestandteil nahezu aller Alltagsbereiche geworden, wirkt mit und auf uns. Im Alltag wirkt Code jedoch meist im Hintergrund. Im Normalbetrieb erleben wir als Nutzer*innen die Wirkungsweisen vermittelt, etwa über Materialitäten wie Computerbildschirme und Mobiltelefone. In diesem Heft wird dagegen der Hintergrund in den Vordergrund gerückt und Code in den Beiträgen in unterschiedlichster Weise fokussiert.

Wir wünschen eine anregende Lektüre!

 

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Ruth Dorothea Eggel, Maurizio Scelsi, Libuše Hannah Vepřek

 

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